Immer mehr Anbieter wollen ihre Webseiten barrierefrei gestalten. Öffentliche Unternehmen müssen das inzwischen, wie wir in unserem Blog-Artikel über die rechtlichen Grundlagen der Barrierefreiheit beschrieben haben. Aber auch viele andere sehen die Vorteile einer barrierefreien Webseite: Was für Menschen mit Beeinträchtigungen gut bedienbar ist, ist es für alle anderen auch!
In diesem Blog-Artikel geben wir einen Leitfaden, welche Schritte in der Praxis unternommen werden müssen, um das eigene Web-Angebot barrierefrei zu gestalten.
Der wichtigste Schritt ist der erste: festlegen, in welchem Umfang Barrierefreiheit erreicht werden soll. Dieser Schritt hat auch die größten finanziellen Auswirkungen. Das ist deshalb wichtig, weil die höchste Konformitätsstufe AAA kombiniert mit einem Test einer externen Prüfstelle wirklich sehr aufwändig werden kann. Insbesondere dürfen in diesem Fall keine Bereiche der Homepage und keine Funktionen ausgelassen werden.
Deshalb muss unbedingt vor Beginn der eigentlichen Arbeiten genau überlegt werden, in welchem Umfang die Barrierefreiheit erreicht werden soll.
Wenn es nur darum geht, dass man grundlegende Barrierefreiheit erreicht, ohne dass ein Zertifikat benötigt wird, und ohne die Notwendigkeit, alle Bereiche so weitgehend wie möglich barrierefrei zu gestalten, kann man sich auf einige einfache Checks beschränken. Ein Beispiel ist auf der BIK-Website zu finden. Dieser informelle Test besteht aus 10 einzelnen Checks, die - wenn erfüllt - die grundlegende Bedienbarkeit der Webseite gewährleisten.
Wichtig ist zunächst, dass der prinzipielle Aufbau der Seite den aktuellen Web-Techniken entsprechen muss: Eine veraltete Seite mit Tabellen-Layout kann prinzipiell nicht barrierefrei werden. Ausserdem sollte das HTML weitgehend ohne Fehler sein.
Danach folgen diese 10 Punkte:
Die Punkte sind unterschiedlich aufwändig. Z. B. sind die Punkte Dokumenttitel, Alternativtexte, Überschriften und Vergrößerbarkeit in modern gebauten, reponsiven Webseiten meist weitgehend erfüllt. Insbesondere bei Alternativtexten ist meist der Redakteur gefragt, dass diese auch vergeben werden. Bewegte Inhalte und Videos mit Untertitelung müssen nur beachtet werden, wenn solche Inhalte auch vorhanden sind. Auch die Lesereihenfolge ist meist bereits gegeben, oder kann relativ einfach erreicht werden.
Bei den Kontrasten muss überprüft werden, dass die verwendeten Farben ausreichend Kontrast aufweisen. Je nach dem Design der Website kann sich dahinter mehr oder weniger Arbeit verbergen. Im schlimmsten Fall gibt es nicht änderbare CI-Farben, die weder mit Schwarz noch mit Weiß genügend Kontrast aufweisen. Dann muss eventuell das ganze Design überarbeitet werden. Alternativ fügt man eine eigene Kontrastansicht mit einem Umschaltbutton hinzu. Allerdings bedeutet auch das, dass man alle Seiten anfassen und prüfen muss. Einen Trost aber gibt es immerhin: Im einfachsten Fall ist von vornherein schon alles in Ordnung und dieser Punkt kann ohne Aufwand abgehakt werden.
Tastaturbedienbarkeit und Tastaturfokus können je nach Aufbau der Website relativ einfach erreicht werden - oder einen ganz erheblichen Aufwand verursachen. Insbesondere bei Flyout-Menüs, Popup-Menüs oder Bigmenüs kann die Tastatursteuerung aufwändig werden, vor allem in Kombination mit einem Screenreader.
Den größten Aufwand aber bilden Formulare: Hier muss es möglich sein, alle Formulare per Tastatur zu bedienen und zwar im Idealfall auch in Kombination mit einem Screenreader. Das kann dazu führen, dass Formulare überarbeitet werden müssen.
Wichtig: Man muss sich die Mühe machen und alle wichtigen Seiten nach allen 10 Kriterien überprüfen. Es ist nicht selbstverständlich, dass die Hierarchie der Überschriften oder die Tastatursteuerung tatsächlich auf allen Seiten funktionieren, wenn sie das auf einer tun.
Auch wichtig: Diese Easy-Checks sind nur ein erster Schritt - die Webseite ist danach noch nicht vollständig barrierefrei. Aber eine guter Anfang ist gemacht, der Grundstein gelegt.
Eine Zertifizierung der Webseite geht im Aufwand weit über die oben erwähnten 10 Kriterien hinaus. Deshalb sollte im Vorfeld genau überlegt werden, welche Stufen und welche Art von Zertifikat man erreichen will oder benötigt.
Drei Punkte gilt es dabei zu beachten:
WCAG ist ein internationaler Standard für Barrierefreiheit, während BITV eine daraus abgeleitete deutsche Verordnung ist, die aber deutlich mehr Prüfpunkte enthält als die WCAG. Für manche Internetauftritte ist eine Zertifizierung nach BITV vorgeschrieben, für die meisten Webseiten aber nicht. Wenn die BITV nicht vorgeschrieben ist, wird deshalb empfohlen, nach WCAG vorzugehen.
Man kann WCAG- oder BITV-Tests entweder durch offizielle Teststellen durchführen lassen oder den Test selbst durchführen (Selbsttest). Ersteres kostet natürlich, und erfordert u. U. mehrere Durchgänge mit Nachbesserungen. Die Selbsttests können allerdings nur mit entsprechendem KnowHow durchgeführt werden. In der Regel sind Selbsttests nur in Zusammenarbeit mit einer Webagentur möglich.
Die Selbsttests bieten die Möglichkeit, alle Prüfpunkte Schritt für Schritt durchzugehen, und sind deshalb auch eine ideale Vorbereitung für offizielle Tests durch Teststellen.
Die drei Konformitätsstufen (A, AA, AAA) definieren das Ausmaß der zu erreichenden Barrierefreiheit und damit wesentlich auch die Anzahl der Prüfschritte. Mindestlevel ist A mit 30 Prüfschritten, allerdings wird allgemein empfohlen, mindestens AA mit 50 Prüfschritten anzustreben. Ausserdem wird empfohlen, möglichst viele Prüfschritte von AAA zu erreichen, ohne offiziell das Konformitätslevel AAA anzustreben (das 78 Prüfschritte enthält). Der Grund liegt darin, dass eine Zertifizierung nur für die gesamte Site möglich ist: wird ein Prüfschritt nicht erreicht, kann das entsprechende Level auch nicht zertifiziert werden. Wenn keine Zertifizierung vorgeschrieben ist, kann auch versucht werden, mindestens A zu erreichen, und möglichst so viele Prüfschritte von AA (ggf. auf AAA) zu erreichen, wie mit vertretbarem Aufwand möglich. In Europa und in Deutschland wird Konformitätsstufe AA für öffentliche Stellen vorgegeben.
Wichtig: Konformitätserklärungen können nur für vollständige Webseiten gemacht werden, das heißt wenn für eine Webseite die Konformität zu einer der Konformitätsstufen erklärt wird, dann kann das nicht auf Teile der Webseite beschränkt werden.
Die Inhalte einer Webseite müssen nicht einmal vollständig konform sein. Es dürfen auch Techniken eingesetzt werden, die Barrierefreiheit nicht unterstützen - solange diese nicht störend sind und sämtliche Informationen auf andere Weise auf der gleichen Webseite verfügbar sind. Typisches Beispiel: Eine klickbare Karte, die für Sehbehinderte durch eine Listen-Navigation ersetzt wird.
Da es in der Regel nicht möglich ist, wirklich alle Seiten zu testen, werden für den Test auf Barrierefreiheit repräsentative Seiten des Auftritts ausgewählt und geprüft. Oft sind ja viele Seiten ähnlich aufgebaut. Da genügt es, jeweils nur eine Beispielsseite zu prüfen. Wichtig ist nur, dass man aus allen unterschiedlich aufgebauten Seiten jeweils eine testet.
Dafür muss im Vorfeld eine Liste erstellt werden, die alle zu prüfenden Seiten und Prozesse enthält. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf all den Sonderfällen: Formulare, Videos, Anmeldungen, Newsletter, Sonderfunktionen. Diese müssen in der Konformitätserklärung auch alle aufgeführt werden. Schneidet einer der Prüfungen mit "nicht konform" ab, so gilt der gesamte Auftritt als "nicht konform".
Sind alle Schritte umgesetzt, so steht am Abschluss die Erstellung der Konformitätserklärung. Hat man sich entschlossen, diese über einen Selbsttest zu bestätigen, so kann man sich hier zu einem kostenlosten Test-Tool anmelden.
Hat man einen externen Tester beauftragt, so erhält man das Testergebnis von dort. Hier muss man damit rechnen, dass man im ersten Durchgang noch nicht das erforderliche Level erreicht, und dass noch Nacharbeiten anfallen.
Welche technischen Schritte im Einzelnen nötig sind, darauf werden wir in einem künftigen Blog-Beitrag eingehen.
Die rechtlichen Grundlagen der Barrierefreiheit haben wir in einem früheren Blog-Artikel dargelegt.
Kontaktieren Sie uns gerne, wenn Sie ihre bestehende TYPO3-Seite barrierefrei gestalten wollen: Das gehört inzwischen zu unserem Tagesgeschäft.
Ihr direkter Draht zu einem Experten: 089/381576400.